Hohe Warte (Wien): Die verlorenen Gärten des Baron Rothschild

ORF-SERIE “Verlorenes Erbe”Die berühmten Gärten des Baron Rothschild: In Wien hat es vor hundert Jahren zwei weltbekannte Gärten gegeben: Neben Schönbrunn, der wohl den meisten bekannt ist, waren die Rothschildgärten auf der Hohen Warte in Döbling. Der Banker Nathaniel Meyer Freiherr von Rothschild erwarb in den 1860er Jahren auf der Hohen Warte ein über 80.000 Quadratmeter umfassendes Grundstück, das er 1882 zu einem weitläufigen Herrschaftspark ausgestalten lies. Später, besonders unter Alphonse von Rothschild (1878-1942), Sammler und Liebhaber schöner Gärten sowie exotischer Blumen, wurde der Garten mit seinem wertvollen Pflanzenbestand über die Grenzen Europas bekannt. Das Ensemble bestand aus einer umfangreichen Parkanlage und einer stattlichen, späthistoristischen Villa (im Krieg zerstört). Die Gartenanlage enthielt botanische Raritäten und rund 90 Glashäuser. Gartenliebhaber sind von weit her angereist, um sie zu sehen und in Botanikerzeitschriften ist in höchsten Tönen davon berichtet worden. 1938 von den Nationalsozialisten enteignet, wurde die Anlage im 2. Weltkrieg zum Teil zerstört. Der Garten wurde nach dem Krieg der Familie Rothschild zurückerstattet, kam aber 1950 durch eine Schenkung in den Besitz der Gemeinde Wien1969 begann das Stadtgartenamt mit der Umgestaltung in eine kommunale Parkanlage, den heutigen Heiligenstädter Park. Einzelne Gartenelemente (u. a. Formspalierbäumchen) haben sich bis heute erhalten und wurden ins Gartenbau-Museum verbracht, eine marmorne Venusfigur des Mailänder Bildhauers Antardini ist heute im Palmenhaus der Blumengärten Hirschstetten untergebracht. Mit dem Bau des Döblinger Bezirkshallenbads 1978 verschwanden die Glashäuser völlig. Nur noch das denkmalgeschützte Pförtnerhaus mit seinem mächtigem Tor (Geweygasse 6) erinnert heute an das einstige Dorado der Gartenkunst. ORF-FERNSEHBEITRAG ZUM NACHSEHEN (5 Min): https://tvthek.orf.at/profile/Studio-2/13890037/Studio-2/14070080/Die-beruehmten-Gaerten-des-Baron-Rothschild/14788271 (ORF “Studio 2”, 2.11.2020, ‘Die berühmten Gärten des Baron Rothschild’)

Die Rothschild-Gärten:
– auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Rothschildg%C3%A4rten
– auf Wien Geschichte Wiki: https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Rothschildg%C3%A4rten

Der Heiligenstädter Park:
– auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Heiligenst%C3%A4dter_Park
– auf der Website der Stadt Wien: https://www.wien.gv.at/umwelt/parks/anlagen/heiligenst.html

PS: Rothschild spielte auch eine wesentliche Rolle bei der Etablierung des ersten Fußballvereins in Österreich, des First Vienna FC 1894, der am 22. August 1894 durch Rothschilds Gärtner in Wien-Döbling gegründet wurde. Als Taufpaten fungierten Rothschild und der Generaldirektor des Bankhauses Rothschild. Die Vereinsfarben wurden mit Blau und Gelb, den Wappenfarben des Hauses Rothschild, festgelegt. Mit diesen Farben spielt der Verein nach wie vor im Stadion Hohe Warte. (Quelle: Wikipedia).

Kalksburg (Wien): Breitenfurter Straße 529 kurz vor Abriss

Im September 2018 wurden die Abrisspläne für das im Heimatschutz-Stil erbaute Gründerzeithaus Breitenfurter Straße 529 im Rahmen der öffentlichen Auflage Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes Nr. 8256 publik. Unser Verein Initiative Denkmalschutz hat damals eine Stellungnahme für den Erhalt abgegeben, doch die Stadt Wien hat diese nicht berücksichtigt und das ursprünglich in einer Schutzzone der Stadt Wien befindliche Gebäude sogar extra aus der Schutzzone “herausgewidmet”, um die Voraussetzungen für das Neubauprojekt des Pflegezentrum der CS Caritas Socialis in Kooperation mit dem Anton-Proksch-Institut (Suchtklinik) zu schaffen. Doch obwohl seit Sommer 2018 auch Altbauten außerhalb von Schutzzonen ähnlichen Schutz wie in Schutzzonen genießen, hat die Magistratsabteilung 19 (Architektur und Stadtgestaltung) jetzt die für den Abbruch notwendige Bestätigung ausgestellt, “dass an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht” (gemäß  § 62a Abs. 5a Bauordnung für Wien), sodass die zuständige Baubehörde (Magistratsabteilung 37) den Abbruch jetzt bewilligt hat. Das Haus in Kalksburg (23. Bezirk Liesing) steht jetzt kurz vor dem Abriss.

Neubauprojekt Breitenfurter Straße 529, 1230 Wien

Neubauprojekt Pflegezentrum Kalksburg in der Breitenfurter Straße 529 (Grafik: wien.gv.at, bearbeitet von WienSchauen.at)

Der Blog von “WienSchauen” fragt jetzt: Warum geben die Behörden den Altbau zum Abbruch frei? Sollte nicht die erst 2018 verschärfte Bauordnung solche Abbrüche verhindern? Dass der Bau von Pflegeeinrichtungen und Kliniken sehr zu begrüßen ist und keinesfalls verhindert werden sollte, versteht sich von selbst. Doch warum wird das alte Gebäude nicht in den Neubau integriert? Ließe sich so nicht ein viel schonenderer Umgang mit der Umgebung erreichen? Wie sinnvoll ist es, ein gut erhaltenes Haus ohne Not zu demolieren – gerade in Hinblick auf das Thema Ressourcen?  WIENSCHAUEN-ARTIKEL WEITERLESEN: https://www.wienschauen.at/kalksburg-behoerden-fuer-altbau-abriss-gruenderzeithaus-breitenfurter-strasse-529 (27.11.2020, WienSchauen: “Kalksburg: Behörden für Altbau-Abriss”).

Breitenfurter Straße 529 als Teil der Schutzzone (Ausschnitt aus dem bis Oktober 2019 gültigen Plandokument Nr. 7246)

Initiative Denkmalschutz: Stellungnahme zum Planentwurf 8256, 27. September 2018
https://www.initiative-denkmalschutz.at/stellungnahme/kalksburg-wien-stellungnahme-zu-planentwurf-8256

Verlorenes Erbe (Wien): Rothberger Warenhäuser, Haas-Haus, Stephansdom-Brand

In der ORF-Serie “Verlorenes Erbe” wurden diesmal die Rothberger-Warenhäuser sowie die Brandursache des Stephansdoms behandelt. Die Rothberger Warenhäuser standen bis zum Brand in den letzten Kriegstagen 1945 direkt gegenüber des Stephansdom-Riesentores am Stephansplatz (ehemals  Nr. 9 und 11, heute Stephansplatz 9 und 10). (Jüdischer) Bauherr war Jakob Rothberger, erbaut von den berühmten Theater-Architekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer (Büro Fellner & Helmer) 1884/85 (Stephansplatz 9) sowie 1893/95 (Stephansplatz 11). Die beiden Rothberger-Häuser flankierten das schmale, zentrale Krannerhaus, mit dem sie eine symmetrische städtebauliche Einheit bildeten. Das so genannte Krannerhaus (Anton Kranner’s Sohn, Wäsche und Ausstattungen) wurde bereits 1879/80 von Ferdinand Fellner und Hermann Helmer erbaut. Die strenghistoristische Fassade in nordischen Neorenaissance-Formen war mit einem hohen, volutengeschmückten Giebel abgeschlossen.  Nach schweren Kriegsschäden erfolgte der Wiederaufbau 1948/49 und 1956, wobei das Haus Nr. 11 mit dem in Betonkonstruktion neu errichteten Haus Nr. 10 (ehem. Krannerhaus) verbunden wurde (Architekt Josef Becvar). Umbauten bei weitgehender Verwendung der alten Bausubstanz, beide Nebenstiegen der Rothberger-Häuser sind erhalten. Auch das Haas-Haus (Foto), eines der ersten Warenhäuser in Wien  fiel 1945 dem Brand zum Opfer (erbaut 1865-67, Architekten August Siccard von Siccardsburg und Eduard von der Nüll). +++ Zu den Warenhäusern spricht im ORF-Beitrag der Denkmalschutzexperte und Buchautor Andreas Lehne, zum Dombrand kommen Restaurator Martin Kupf, die Historikerin Annemarie Fenzl sowie der Dombaumeister Wolfgang Zehetner zu Wort. Ausführliche ORF-Doku zum Dombrand “Brandakte Stephansdom” (Video).  ORF-FERNSEHBEITRAG ANSEHEN (6 MIN): https://tvthek.orf.at/profile/Studio-2/13890037/Studio-2/14079847/Der-Mythos-vom-Dombrand/14846018 (27.1.2021, “Der Mythos vom Dombrand”) +++ “Brandakte Stephansdom – Rekonstruktion einer Katastrophe” (45 min; Youtube): https://www.youtube.com/watch?v=uK5QT5IQCD4

Literatur / Quellen:

Andreas Lehne, Wiener Warenhäuser 1865-1914, Wien 1990, Seite 124 – 129 (Warenhaus der Teppichfirma Philipp Haas und Söhne), Seite 136 – 139 (Warenhaus Anton Kranner) und Seite 144 – 149 (Warenhaus Jakob Rothberger)

Paul Kortz, Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Zweiter Band, Wien 1906, Seite 361 ff.

 

Hinterstoder (OÖ): Villa Peham trotz Abriss 2015 weiterhin unter Denkmalschutz?

In der Nacht vom 6. auf den 7. September 2015 (Sonntag auf Montag) brannte die denkmalgeschützte Villa Peham in Hinterstoder im oberösterreichischen Traunviertel lichterloh, rasch wurde Brandstiftung als Ursache festgestellt, unbekannte Täter waren eingebrochen und hatten am Dach Feuer gelegt (Fotos und Video nach dem Brand). Bereits im November 2015 begannen die Abrissarbeiten des ehemaligen Landes-Erholungsheims unweit der Polsterlucke. Doch aus bisher noch unerfindlichen Gründen blieb die Villa Peham im Bundesdenkmalamt weiterhin als Denkmal gelistet (vgl. Denkmalliste 2020). Die Villa Peham am Goierweg 21 wurde 1924-1926 für den Wiener Gynäkologen Prof. Dr. Heinrich Peham als geräumiges Ferienhaus mit Gästezimmern von den bekannten Architekten Siegfried Theiss (1882-1963) und Hans Jaksch (1879-1970) erbaut.

Villa Peham nach Brand, Hinterstoder

Die Villa Peham nach dem Brand vom 7.9.2015, Foto: privat

2007 kaufte die Gemeinde Hinterstoder die per Verordnung (§ 2a) denkmalgeschützte Villa vom Land Oberösterreich. So stellen sich Fragen: Wurde das Bundesdenkmalamt nicht über den Abriss informiert? War der Abriss rechtskonform?  Letztere Frage gelang dieser Tage erneut in den Fokus, da an dessen Stelle jetzt ein umstrittens Luxus-Campingressort entstehen soll. Die Projektgegner schalteten das Bundesdenkmalamt ein. Der Bürgermeister soll beim Abriss des historischen Gebäudes voreilig agiert haben, um rasch Platz für neue Projekte zu schaffen. Der Bürgermeister von Hinterstoder, Helmut Wallner (ÖVP) rechtfertigt sich: „Nach dem Brand habe ich in erster Linie nicht an das Denkmalamt gedacht. Jetzt werden wir die Sache wieder reparieren. Aber einen vollständigen Wiederaufbau der Peham-Villa können und konnten wir uns nicht leisten“. Karin Zörrer Zeiner hat nun die Petition “Rettet das Hintere Stodertal ! Das Villa Peham – Areal (nahe Schiederweiher) soll Grünland bleiben!” gestartet. Darin wird zur Villa selbst ausgeführt: “Die denkmalgeschützte Villa Peham wurde am 07.09.2015 unter bisher ungeklärten Umständen durch Brandstiftung beschädigt und danach ohne Genehmigung des Denkmalamts einzuholen abgerissen.”

Medienberichte zum umstrittenen Campingplatz: OÖN (9.3.2021): Petition: Rettung des Stodertals; Tips (29.1.2021): Bebauungsplan für Luxus-Resort in Hinterstoder einstimmig beschlossen;  Krone (8.9.2020): In Hinterstoder: Für Luxuscamp sogar den Herzog verärgert

Villa Peham nach Brand, Hinterstoder

Die Villa Peham nach dem Brand vom 7.9.2015, Foto: privat

Medienberichte zu Brand und Abriss der Villa Peham:

3. März 2021, Krone
Betreiber verwundert: ‘Wir errichten hier doch kein Atomkraftwerk!’: https://www.krone.at/2356214

26. November 2015, Oberösterreichische Nachrichten
Millionenschaden: Peham-Villa wird nach Brand abgerissen: https://www.nachrichten.at/oberoesterreich/steyr/Millionenschaden-Peham-Villa-wird-nach-Brand-abgerissen;art68,2042005

8. September 2015, Laumat.at
Ermittlungen nach Brand eines denkmalgeschützen Erholungsheimes in Hinterstoder: https://www.laumat.at/medienbericht,ermittlungen-nach-brand-eines-ehemaligen-erholungsheimes-in-hinterstoder,4551.html

8. September 2015, Oberösterreichische Nachrichten
Feuer in Erholungsheim war Brandstiftung: https://www.nachrichten.at/oberoesterreich/Feuer-in-Erholungsheim-war-Brandstiftung;art4,1966057

Literatur:

Georg Schwalm-Theiss, Theiss & Jaksch, Architekten 1907-1961, Wien 1986, Seite 78

Bludenz (Vbg): Südtiroler Siedlung vor Abriss?

Ist die Südtiroler Siedlung im Stadtteil Obdorf in Bludenz vor dem Abriss? Der Eigentümer, die Alpenländische Heimstätte hat die Mieter im März darüber informiert, dass keine größeren Investitionen mehr in die Siedlung gesteckt werden sollen, dass die Erhaltung wirtschaftlich nicht mehr vertretbar sei. Das hat zur Verunsicherung der Mieter geführt. Die Siedlung wurde ab 1940 geplant und 1942 bis 1947 erbaut, später bis 1962 erweitert. Gemeinsam mit der Stadt Bludenz möchte der Eigentümer jetzt einen Diskussions- und Planungsprozess starten. Die Siedlung in der St. Antonius-, Bozner und Meraner Straße steht nicht unter Denkmalschutz, soll aber Thema beim Prozess werden.

Bau-Beschreibung (Dehio):
“Südtiroler Siedlung. Wohnhäuser, 2geschossig, zu großem viereckigem Hof zusammengeschlossen, rundbogige Tordurchfahrten (Hauptzugang talseitig von der Sonnenbergstraße her). Erb[aut]. von der Vorarlberger Siedlungsgesellschaft unter Alois Tschabrun, Ludwig Schweizer, H. G. Förnzler, ab 1940″

KRONE-ARTIKEL WEITERLESEN: https://www.krone.at/2387661 (12.4.2021, “Abriss oder Sanierung: Unklare Zukunft der Südtiroler Siedlung in Bludenz”)

Südtiroler Siedlung in Bludenz, Luftbild

Die Südtiroler Siedlung Bludenz, Luftbild, Foto: Jän. 2008, (c) böhringer friedrich, CC BY-SA 2.5, Wikipedia

Südtiroler Siedlung, Bludenz

Die Südtiroler Siedlung in Bludenz, ab 1942 erbaut, Foto: Jän. 2008, (c) böhringer friedrich, CC BY-SA 2.5, Wikipedia

Über die “Südtiroler Siedlung” (Bludenz) auf Vorarlberg Online: https://www.vol.at/vor-70-jahren-entstand-die-bludenzer-sudtiroler-siedlung/1605619 (19.10.2010, “Vor 70 Jahren entstand die Bludenzer Südtiroler Siedlung”)

Über “Südtiroler Siedlungen allgemein” auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BCdtiroler-Siedlung

Weitere Medienberichte:

9. April 2021, Vorarlberg Online
Stadt Bludenz als Fürsprecher für die Südtiroler Siedlung: https://www.vol.at/stadt-bludenz-als-fuersprecher-fuer-die-suedtiroler-siedlung/6952264

31. März 2021, Vorarlberger Nachrichten
Große Verunsicherung bei Siedlungsbewohnern in Bludenz (Bezahlschranke): https://www.vn.at/vorarlberg/2021/03/31/grosse-verunsicherung-bei-siedlungsbewohnern-in-bludenz.vn

27. März 2021, Vorarlberger Nachrichten
Verunsicherung über Zukunft der Südtiroler Siedlung in Bludenz (Bezahlschranke): https://epaper.vn.at/lokal/vorarlberg/2021/03/26/verunsicherung-ueber-zukunft-der-suedtiroler-siedlung-in-bludenz.vn

26. März 2021, Vorarlberg Online
Bludenz: Wirbel um Pläne für die Südtiroler Siedlung: https://www.vol.at/bludenz-wirbel-um-plaene-fuer-die-suedtiroler-siedlung/6940206

Die Südtiroler Siedlung neben dem Galgentobelbach in Bludenz

Die Südtiroler Siedlung mit dem Galgentobelbach, Foto Jän. 2008, (c) böhringer friedrich, CC BY-SA 2.5, Wikipedia

Literatur / Quellen:

Dehio-Handbuch, Die Kunstdenkmäler Österreichs, Band: Vorarlberg, Topographisches Denkmälerinventar, herausgegeben vom Bundesdenkmalamt, Wien 1983, Seite 45

Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band 1: ‘Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Vorarlberg’, Salzburg und Wien 1980, Seite 405

Lesetipp:

“Genossenschaftlicher Wohnbau – Gründung der Vogewosi (Vorarlberger gemeinnützige Wohnungsbau- und Siedlungsgenossenschaft), ab Seite 98: https://www.vr-elibrary.de/doi/pdf/10.7767/boehlau.9783205789741.fm (in: Günther Prechter, Architektur als soziale Praxis)

 

Leiner (Wien): Jugendstilgeländer abtransportiert, Haus wird abgerissen

Nach Versteigerung: Zehn neue Besitzer für das in 27 Teile zerstückelte, ursprünglich 320 Meter lange Jugendstilgeländer aus dem ehemaligen Leiner-Kaufhaus in der Mariahilfer Straße 18 im 7. Bezirk Neubau. Jetzt wurden die Teile abgeholt. Alfred Bazalka hat 9.600 € für 67 Laufmeter gezahlt und möchte das Jugenstilgeländer für einen Laubengang in Kärnten verwenden. Patrick Eder wiederum ersteigerte 70 Meter Geländerteile, damit er sich ein neues Haus in Wien im Stil der Zeit um 1900 erbauen kann, und da passen diese Teile nicht nur perfekt, sondern sind dazu auch noch von höchster Qualität, meint er. Der Erlös der Auktion kommt dem Wiener Hilfswerk zugute. Aber auch das Bezirksmuseum Neubau bekommt sechs Teile des Jugendstilgeländers. Diese müssen aber erst zurechtgeschweißt und mit Verbindungsgliedern ausgestattet werden. Das Bezirksmuseum sucht daher einen Metalltechniker oder Sponsoren für die Kosten von rund 5.000 Euro. ORF-FERNSEHBEITRAG (2 MIN): https://tvthek.orf.at/profile/Wien-heute/70018/Wien-heute/14091476/67-Meter-Leiner-Gelaender-fuer-Laubengang/14914133 (7.5.2021, ORF ‘Wien Heute’, “67 Meter Leiner-Geländer für Laubengang”).

Youtube-Video (Drohnenflug Michael HiernerAurena): “Jugendstil Geländer”  im Leiner-Gebäude: https://www.youtube.com/watch?v=WRyobQgJBC0

Leiner-Haus, Mariahilfer Str. 18, 1070 Wien

Das Jugendstilgeländer aus 1912 im ehem. Leiner-Kaufhaus Mariahilfer Straße 18 wird bis 5. Mai versteigert (27 Teile), Besichtigungsmöglichkeit vor Ort am Fr., 30. April, (c) Aurena.at

Der Immobilien- und Handelskonzern, die Signa Holding GmbH von René Benko wird bis Herbst 2024 anstelle des ehemaligen Leiner-Flaggschiffs auf der Mariahilfer Straße ein Kaufhaus (https://mahi10-18.at) nach Vorbild des Berliner KaDeWe (Kaufhaus des Westens) samt Hotel und Park am Dach errichten. Seitens des Eigentümers wurde betont, dass das Haus nicht unter Denkmalschutz steht und das Geländer auch nicht aus der Erbauungszeit 1894/95 stammt. Signa-Geschäftsführer Christoph Stadlhuber führt gegenüber der Zeitung “Der Standard” (28.4.) aus, dass natürlich überlegt wurde, das Stiegenhaus zu erhalten, doch dies war aus vielen Gründen nicht möglich, u.a. wegen der unterschiedlichen Geschoßhöhen. Für Verwunderung in der Fachwelt sorgte jedoch Friedrich Dahm, Abteilungsleiter für Wien im Bundesdenkmalamt mit der Aussage im “Der Standard”: “Dieses Haus ist kein Jugendstil-Juwel, sondern nach all den Umbauten und Zerstörungen ein Schandfleck. Ja, das nachträglich eingebaute Stiegenhaus ist zwar ganz schön, war aber schon zum Zeitpunkt seines Einbaus 1912 altmodisch und retardierend. Aus denkmalpflegerischer Sicht ist hier keine Schutzwürdigkeit gegeben.” Kritisiert werden die Argumentation “retardierend” im Zusammenhang mit einer möglichen Schutzwürdigkeit, die Begrifflichkeiten “Schandfleck” sowie “Schönheit”, die in der kunsthistorischen Welt, insbesondere in der denkmalpflegerischen Fachwelt strikt vermieden werden.

Das Leiner-Kaufhaus, Mariahilfer Straße 18, 1070 Wien

Das Leiner-Kaufhaus in der Mariahilfer Straße 18, Foto: Okt. 2019, (c) Erich J. Schimek / Initiative Denkmalschutz

Unser Verein Initiative Denkmalschutz hatte bereits 2019 mit Bedauern auf den bevorstehenden Verlust dieses Jugendstilgeländers hingewiesen. Georg Scherer hatte noch im Februar auf seinem WienSchauen-Blog für einen Erhalt des Gebäudes samt Rekonstruktion der historischen Fassade plädiert: “Leiner-Haus: Verpasste Chance”. Auch das Bezirksmuseum Neubau wird einen Teil des Jugendstilgeländers bekommen. In den sozialen Medien wird über die Zerstörung des Stiegengeländers getrauert.

1894/95 als “Warenhaus zur großen Fabrik” bzw. Warenhaus Stefan Esders an der Ecke Mariahilfer Straße 18, Karl-Schweighofer-Gasse 2 erbaut (Entwurf: Friedrich Schachner), war es das erste große Wiener Kaufhaus. Schon 1898 wurde es um ein Geschoß aufgestockt, und 1912 ersetzte man das ganze große Stiegenhaus durch eine neu hineingestellte(!), viergeschoßige Eisenkonstruktion, die nur noch bis Anfang Mai bestehen wird. Die ausführende Baufirma war damals das bekannte Duo „Kupka & Orglmeister“. Das Geschäftshaus wurde 1964 von Leiner übernommen und blieb in seiner Grundstruktur bis heute erhalten.  Mit dem Abriss wurde bereits im April begonnen (die erhaltene Gründerzeitfassade an der Mariahilfer Straße 12-16 bleibt bestehen). Herzstück des einstigen Geschäftshauses, das durch viele Umbauten im Laufe der Zeit stark verändert wurde (u.a. Vereinfachung der Fassade nach dem 2. Weltkrieg), ist das große Jugendstil-Geländer aus dem Jahr 1912. Diese Eisentreppe ist in Wien vermutlich in ihrer Größe einzigartig, nachdem z. B. das etwas ältere Hauptstiegenhaus im alten Warenhaus Gerngroß von 1904, in der Größe vergleichbar – 1979 durch Brand vernichtet wurde (Mariahilfer Straße 44-46).

Warenhaus Esders, Mariahilfer Straße 18, 1070 Wien

Historisches Foto des Warenhaus Esders, Foto: unbekannter Fotograf, Wien am Anfang des 20. Jh.

Aktuelle Medienberichte

7. Mai 2021, ORF Wien
67 Meter Leiner-Geländer für Laubengang. 320 Meter Jugendstilgeländer aus dem ehemaligen Leiner-Haus in der Mariahilfer Straße haben neue Besitzer gefunden. Jetzt haben sie ihre ersteigerten Teile abgeholt, quasi bei einer letzten Warenausgabe im ehemaligen Möbelhaus: https://wien.orf.at/stories/3102846

7. Mai 2021, Kurier
Großbaustelle Wiener KaDeWe: Mehr als nur Fassade. Die Signa-Gruppe schleift das Leiner-Haus auf der Mariahilfer Straße, um Platz für ein echtes Kaufhaus zu schaffen. Das wirbelt Staub auf: https://kurier.at/chronik/wien/grossbaustelle-wiener-kadewe-mehr-als-nur-fassade/401374382

5. Mai 2021, Krone
Kommentar des Tages: MAHÜ Signa-Haus: „Jugendstilteile wären Hingucker“: https://www.krone.at/2405586

4. Mai 2021, Krone
Signa-Haus auf Mahü: Bezirksrätin zu Klotz: „Ich bin todunglücklich“: https://www.krone.at/2404990

30. April 2021, Krone
Projekt Leiner: Wie die Grünen einem Investor die Rutsche legen: https://www.krone.at/2402257

29. April 2021, Krone
Ehemaliges Leiner-Haus: Abriss in Schutzzone: Das Bauglück des Jongleurs: https://www.krone.at/2401288

28. April 2021, Der Standard
Auktion: Leiner-Stiegenhaus wird versteigert. Aus dem Leiner auf der Mahü will Signa ein “Kaufhaus des Westens” machen. Das Jugendstil-Stiegenhaus kommt online unter den Hammer: https://www.derstandard.at/story/2000126241647/leiner-stiegenhaus-wird-versteigert

26. April 2021, MeinBezirk
Neubau: Ein Geländer für die neue Grätzeloase. Techniker oder Sponsoren gesucht: https://www.meinbezirk.at/neubau/c-lokales/ein-gelaender-fuer-die-neue-graetzeloase_a4595588

Nebenbei:

8. Mai 2021, Der Standard
Retter oder Bösewicht: René Benko und die Politik: Opposition will Kika/Leiner-Übernahme durchleuchten. Der Milliardär René Benko übernahm im Sommer 2018 die Möbelkette Kika/Leiner. Die Opposition glaubt, dass Türkis-Blau ihm dabei zu sehr half: https://www.derstandard.at/story/2000126481589/rene-benko-und-die-politik-opposition-will-kikaleiner-uebernahme-durchleuchten

Älterer iD-Bericht vom 23. April 2021

Leiner (Wien): Trauer um Jugendstilgeländer aus 1912 – Für Versteigerung zerstückelt: https://www.initiative-denkmalschutz.at/berichte/leiner-wien-trauer-um-jugendstilgelaender-aus-1912-fuer-versteigerung-zerstueckelt

Initiative Denkmalschutz in den Medien:

3. Oktober 2019, Kurier
KaDeWe: Das sagen Experten zum Neubau. Aus dem Leiner der Mariahilferstraße wird ein Warenhaus nach Berliner Vorbild. Experten loben vor allem Dach und Fassade des Neubaus in Neubau: https://kurier.at/chronik/oesterreich/kadewe-das-sagen-experten-zum-neubau/400637384

12. August 2019, MeinBezirk
Mariahilfer Straße: Initiative Denkmalschutz schlägt Alarm wegen Leiner: https://www.meinbezirk.at/neubau/c-lokales/initiative-denkmalschutz-schlaegt-alarm-wegen-leiner_a3565320

Herrenhaus Halltal (Tirol): Nach Lawinenschäden 1999 jetzt vor Revitalisierung

Das Herrenhaus im Halltalauf etwa 1.500 Meter Höhe im Naturpark Karwendel  gelegen – wurde durch einen verheerenden Lawinenabgang im Februar 1999 schwer beschädigt. Die Lawine riss ein großes Loch in die Fassade, welches mit einem “Provisorium” vorübergehend geschützt wurde. Im Zuge der letzen Jahre schritt der Verfall weiter fort und das Industriedenkmal am Haller Salzberg (Gemeinde Absam) droht zur Ruine zu verkommen. Im Zuge einer Architektur-Masterarbeit “Das Herrenhaus im Halltal : funktionale Neuinterpretation eines bedeutsamen historischen Ortes” (Franziska Zahn, Juli 2020) wurde die Öffentlichkeit letztes Jahr wieder auf das Herrenhaus aufmerksam. Im März 2021 wurde der Verein „Initiative rettet das Herrenhaus im Halltal“ gegründet. Der Verein beabsichtigt, das Herrenhaus, das auch als Königsberg-Betriebsgebäude bezeichnet wird, vor dem Verfall zu retten. Das Herrenhaus wurde  um 1780  errichtet, später mehrfach umgebaut und erweitert. 1967 stellte die Salinen Austria AG den Bergwerksbetrieb ein. In Vorbereitung eines Verkaufs durch die Österreichische Republik (Österreichische Salinen) wurde das Herrenhaus 1977 fachlich unter Denkmalschutz gestellt (konkret: die Außenerscheinung des Königsberg-Betriebsgebäudes samt den Tonnen- und Kreuzgewölben im Kellergeschoß; zuvor nur ‘ex lege’ – kraft gesetzlicher Vermutung – unter Denkmalschutz gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz). Das Haus stand nach der Betriebseinstellung 13 Jahre lang leer, bis es 1980 von Ekkehard Öfner privat gekauft und saniert wurde. Das Gebäude wurde der Öffentlichkeit durch einen Museumbetrieb und eine Gaststätte zugänglich gemacht. Am 24. Februar 1999 zerstörte eine Lawine den südwestlichen Teil des Königsberg-Wohnhauses, sodass der Betrieb eingestellt werden musste. Ziel des neu gegründeten Vereins ist es, den fortschreitenden Verfall des Herrenhauses aufzuhalten und eine Sanierung nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten anzuregen. Eine nachhaltige Nutzung im Bewusstsein und Respekt der historischen Erzählung sowie eine öffentliche Aufmerksamkeit soll angestrebt werden. In diesem Sinne erfolgt jetzt im ersten Schritt eine Bau- und Bestandsaufnahme durch Studierende des Tagekollegs der HTBLVA Ortweinschule – Bautechnik in Graz (HTBLVA = Höhere Technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt). Auf dieser Grundlage sollen danach Architektur-Studierende der Uni Innsbruck weiterarbeiten und Nutzungskonzepte erstellen. Bevor man jedoch mit einer Sanierung starten kann, ist die zukünftige Absicherung des Gebäudes (auch vor Lawinen) sicherzustellen und eine Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt nötig. Der neue Verein bittet jetzt um tatkräftige Mithilfe sowie Spenden (Bausteinaktion). Offizielle Website: https://herrenhaus.tirol.

Das Herrenhaus im Halltal 1999, Tirol

Das Herrenhaus im Halltal, Schäden nach dem Lawinenabgang, Foto: 1999, (c) Verein ‘Initiative rettet das Herrenhaus im Halltal’

Anmerkung: Unserem Verein Initiative Denkmalschutz liegt der aktuell gültige (dreiseitige) Unterschutzstellungsbescheid des Bundesdenkmalamtes aus dem Jahr 1977 vor (16.10.1977; Zl.8289/77). Damals wurde nicht nur die Außenerscheinung des Königsberg-Betriebsgebäudes samt den Tonnen- und Kreuzgewölben im Kellergeschoß unter Schutz gestellt, sondern auch das benachbarte Objekt: “die Außenerscheinung des Material- und Zeugbewahrungsgebäudes mit angebauter Kapelle in ihrer Gesamtheit”. Für die weiteren elf Nebengebäude wurde damals kein Denkmalschutz ausgesprochen (vgl. auch die Liste der denkmalgeschützten Objekte in Absam auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_denkmalgesch%C3%BCtzten_Objekte_in_Absam).

Das Herrenhaus im Halltal vor 1999, Tirol

Das Herrenhaus im Halltal vor dem Lawinenunglück, Foto: ca. Mitte 1990er-Jahre, (c) Verein ‘Initiative rettet das Herrenhaus im Halltal’

Linktipps:

Podcast (22 min) Museum Absam – Herrenhaus im Halltal: Vergangenheit und Zukunft (10.12.2020). Franziska Zahn aus Reutlingen bei Stuttgart hat sich für ihre Masterarbeit über ein Jahr lang intensiv mit den baulichen Überresten des Salzbergbaus im Absamer Halltal beschäftigt. Im Zentrum der Recherchen für ihre Masterarbeit stand das Herrenhaus. Mit der Studie „Das Herrenhaus im Halltal – Funktionale Neuinterpretation eines bedeutsamen historischen Ortes“ hat sie unlängst ihr Architekturstudium an der Universität Innsbruck erfolgreich abgeschlossen. Im September haben wir mit Franzsika Zahn ein Interview geführt: Über die Baugeschichte im Halltal und über ihre Vorschläge für eine zukünftige Nutzung des Herrenhauses: https://soundcloud.com/museumabsam/franziska-zahn

– Die Geschichte und Areal des Herrenhauses: https://herrenhaus.tirol/geschichte

– Der Salzbergbau in Hall: https://www.hall-wattens.at/de/salzbergbau-zu-hall.html

Wandertipp zum Herrenhaus (und der Magdalenenkapelle): https://tirolischtoll.wordpress.com/2018/06/29/die-magdalenenkapelle-im-halltal

Wandertipp: ‘Mehr Geschichte geht nicht’: https://www.tt.com/artikel/13489990/mehr-geschichte-geht-nicht

Podcast (37 min) Museum Absam – Im Herrenhaus 1907 – der Journalist Max Winter (1870–1937) besuchte 1907 das Absamer Halltal. In einer Artikelserie für die »Arbeiter-Zeitung« berichtete er im Oktober 1907 darüber, welche Verhältnisse er in den Unterkünften der Salzberger im Herrenhaus vorgefunden hat: https://soundcloud.com/museumabsam/herrenhaus

Herrenhaus im Halltal, Luftbild, Tirol

Das Herrenhaus im Vordergrund (auch Königsberg-Betriebsgebäude genannt). Links dahinter zu sehen das ebenso denkmalgeschützte Material- und Zeugbewahrungsgebäude mit angebauter Kapelle. Die weiteren Nebengebäude stehen nicht unter Denkmalschutz, Foto: 2021, (c) Verein ‘Initiative rettet das Herrenhaus im Halltal’

Medienberichte:

18. Juni 2021, MeinBezirk
Initiative fordert Erhalt des historischen Herrenhauses. Absam. Das Herrenhaus im Halltal, gelegen im Karwendelgebirge auf zirka 1.500 m Seehöhe, ist ein Stück Salz- und Bergbaugeschichte. Außerdem zählt das historische Gebäude zu einem der wichtigsten Industriedenkmäler Tirols – doch nun droht es zur Ruine zu verkommen: https://www.meinbezirk.at/hall-rum/c-lokales/erhalt-des-historischen-herrenhauses_a4711604

14. Juni 2021, Tiroler Tageszeitung
Initiative will historisches Herrenhaus im Halltal retten: Ein neuer Verein möchte den Verfall des bergbaugeschichtlich einmaligen Komplexes stoppen und eine denkmalgerechte Revitalisierung angehen: https://www.tt.com/artikel/30793912/initiative-will-historisches-herrenhaus-im-halltal-retten

18.12.2020, Tiroler Tageszeitung
Herrenhaus im Halltal: Frische Ideen für einen historisch bedeutsamen Ort. Eine junge Architektin hat die Baugeschichte des Herrenhauses im Halltal akribisch aufgearbeitet – und regt eine Aufwertung des Areals an (Bezahlschranke): https://www.tt.com/artikel/17662376/herrenhaus-im-halltal-frische-ideen-fuer-einen-historisch-bedeutsamen-ort

Verlorenes Erbe (Wien): Villa Regenstreif in Pötzleinsdorf, 1965 abgerissen

In der sehenswerten TV-Serie „Verlorenes Erbe“ (von Rupert Reiter-Kluger) im ORF 2-Vorabendprogramm (“Studio 2”) wurde am 13. August 2021 die Villa Regenstreif in Pötzleinsdorf behandelt: https://tvthek.orf.at/profile/Studio-2/13890037/Studio-2/14101968/Die-Villa-des-Bundespraesidenten/14978929. Die vom bekannten Architekten Friedrich Ohmann für den jüdischen Industriellen Friedrich (‘Fritz‘) Regenstreif 1914 bis 1916 erbaute Villa (Pötzleinsdorfer Straße 36-38) wurde prachtvoll ausgestattet und stand inmitten eines zwei Hektar großen Gartens. Marie-Theres Arnbom, Autorin des Buches “Die Villen in Pötzleinsdorf” erzählt im ORF-Interview, dass Fritz Regenstreif riesige Wälder in Bosnien (bei Zavidovići) angekauft hatte und durch den Holzhandel reich wurde (nötig u. a. für die vielen großen Baustellen im Wien der Gründerzeit). 1941 wurde er von den Nationalsozialisten gezwungen, die Villa weit unter Wert an die Deutsche Arbeitsfront (DAF) zu verkaufen, er starb zwei Monate später. Seine Familie konnte noch in letzter Sekunde flüchten. Viel kostbares Inventar wurde damals aus der Villa entfernt. Von 1945 bis 1955  wurde das Herrenhaus von den USA gemietet und als Offiziersclub für Offiziere der United States Air Force genutzt. Im Zuge eines Restitutionsverfahrens (1948-53) kam die Villa wieder in das Eigentum der Familie, die diese 1958 schlussendlich verkaufte. In den frühen 1960er-Jahren wurde das Herrenhaus für den damaligen Bundespräsidenten Adolf Schärf als Dienstvilla auserkoren. Kurz vor dem Ende der Generalrenovierung brannte das Hauptgebäude am 17. März 1964 aus, ausgelöst durch Schweißarbeiten. 1965 wurde nicht nur die Ruine des Hauptgebäudes abgetragen, sondern es fielen auch die unterkellerte Terrasse und die in den unteren Teil des Parkes führende Stiegenanlage dem Abriss zum Opfer. Nur mehr einzelne Elemente im Garten (Pförtnerhaus, Wasserbassin, Pavillon) sowie die Einfriedung erinnern heute noch an den imposanten Villenbau. Die erhaltenen “Restbaulichkeiten” stehen heute unter Denkmalschutz (vgl. Denkmalliste Währing). Anstelle der Villa befindet sich heute ein Studentenheim der Akademikerhilfe (Bokuheim).

ORF-FERNSEHBEITRAG HIER NACHSEHEN (5 MIN): https://tvthek.orf.at/profile/Studio-2/13890037/Studio-2/14101968/Die-Villa-des-Bundespraesidenten/14978929 (13.8.2021, ORF ‘Studio 2’, Verlorenes Erbe, “Die Villa des Bundespräsidenten”)

Quellen / Linktipps:

Die Villa Regenstreif auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Villa_Regenstreif

Geschichtliches (Teil 5) – Villa Regenstreif (Bokuheim): https://www.bokuheim.at/index.php/geschichte-des-hauses/16-geschichtliches-teil-5-villa-regenstreif

37 historische Fotos auf Kultur-pool.at: http://kultur-pool.at/plugins/kulturpool/kuposearch.action?searchText=P%25C3%25B6tzleinsdorferstra%25C3%259Fe%2B36%252F38&refineResult=true&resultsPerPageSelect=50

Literatur:

Marie-Theres Arnbom, Die Villen in Pötzleinsdorf. Wenn Häuser Geschichten erzählen, Wien 2020, Seite 31-39

Dieter Klein, Martin Kupf, Robert Schediwy, Stadtbildverluste Wien – Ein Rückblick auf fünf Jahrzehnte, Wien 2004 (aktualisierte Neuauflage), Seite 193

Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Band III/2: Wien, 13.–18. Bezirk, Salzburg 1995, Seite 227

Graz (Stmk): SOS Grazer Schule – Moderne in Gefahr

Anselm Wagner und Sophia Walk vom Institut für Architektur-Theorie der TU Graz schlagen gemeinsam mit Studierenden Alarm. Die Bauten der „Grazer Schule“ sind in Gefahr; sie werden immer öfter abgerissen oder durch Umbauten entstellt. Mit einer aufwendigen Zeitung versuchen Sie das Bewusstsein für den Wert der Bauten zu heben und ein Umdenken zu erreichen. Die “Grazer Schule” ist ein besonderes Phänomen in der Österreichischen Architekturgeschichte (insbesondere der 1960-1980er Jahre) und von internationaler Bedeutung. In der 40-seitigen Zeitschrift “SOS Grazer Schule” werden 125 Bauten aus der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts vorgestellt. Viele der Bauten liegen in keiner Altstadtschutzzone und stehen nicht unter Denkmalschutz. Wohl in Bälde abgerissen wird zum Beispiel der Zubau des Architekten Manfred Zernig am Schulbau der landwirtschaftlichen Schule Alt-Grottenhof. Anselm Wagner hofft insbesondere auf die Tätigkeit des Bundesdenkmalamtes. Christian Brugger, Abteilungsleiter für die Steiermark im Bundesdenkmalamt bestätigt, dass diese Bauten laufend evaluiert und auch unter Schutz gestellt werden (aktuell läuft ein Unterschutzstellungsverfahren für die Terrassenhaussiedlung Graz-St. Peter), doch alle können nicht geschützt werden, sodass mit weiteren Verlusten zu rechnen ist. Umso mehr liegt auch die Hoffnung auf die Bewusstseinsbildung in der Grazer Stadtregierung.

ORF-FERNSEHBERICHT (2 MIN): https://tvthek.orf.at/profile/Steiermark-heute/70020/Steiermark-heute/14115251/Rettung-fuer-Bauten-der-Grazer-Schule/15047534 (ORF ‘Steiermark Heute’, “Rettung für Bauten der ‘Grazer Schule'”, 1. Dezember 2021)

Medienberichte:

1. Dezember 2021, ORF
Studierende wollen Bauten der „Grazer Schule“ retten. Die „Grazer Schule“ ist ein Phänomen der jüngeren Architekturgeschichte und von internationaler Bedeutung. Doch viele der Bauten aus den 70er und 90er Jahren sind mittlerweile vom Abriss bedroht. Eine Gruppe Studierender will das verhindern: https://steiermark.orf.at/magazin/stories/3132550

Terrassenhaussiedlung Graz-St. Peter

Terrassenhaussiedlung Graz-St. Peter, hier läuft aktuell ein Unterschutzstellungsverfahren des Bundesdenkmalamtes (www.terrassenhaus.at), Foto: Mai 2012, (c) Lilumda, CC BY-SA 4.0, Wikipedia

16. Oktober 2021, Kleine Zeitung
Fachleute schlagen Alarm: Die Abrissbirne bedroht das architektonische Erbe der “Grazer Schule” (Bezahlschranke): https://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/6047289/Fachleute-schlagen-Alarm_Die-Abrissbirne-bedroht-das

7. September 2021, Moderne Regional (Deutschland)
Grazer Moderne in Bedrängnis: https://www.moderne-regional.de/grazer-moderne-in-bedraengnis

8. Jänner 2011, Die Presse
Was bleibt von der Grazer Schule?  War sie eine Gruppe oder eine Szene, eine Bewegung oder eine Strömung? Fest steht, dass die „Grazer Schule“ einige außergewöhnliche Bauwerke hinterlassen hat. Fest steht auch, dass mit ihren Schlüsselbauten höchst nachlässig umgegangen wird: https://www.diepresse.com/623613/was-bleibt-von-der-grazer-schule

Neumarkt an der Raab (Bgld.): Künstler retten Strohdächer

“Kunst braucht ein Dach”. Einige der Strohdächer der denkmalgeschützten Bauernhäuser in Neumarkt an der Raab (Gem. St. Martin an der Raab) müssen neu gedeckt werden. Da die Sanierung sehr teuer ist, soll nun mit der Aktion “Kunst braucht ein Dach” Geld dafür gesammelt werden: https://www.kunstbrauchteindach.at +++ ORF-FERNSEHBERICHT (3 MIN): https://tvthek.orf.at/profile/Burgenland-heute/70021/Burgenland-heute/14048125/Kunst-braucht-ein-Dach/14679158 +++ Seit 50 Jahren bietet das Künstlerdorf Neumarkt an der Raab Kunstschaffenden ein Zuhause. So wollen jetzt Künstler dem Verein Bilder für den Verkauf zur Verfügung stellen, um Geld dafür zu sammeln. Das Problem bei der Sanierung: Die Dächer sind mit langhalmigem Roggenstroh gedecktMaterial, das heutzutage nicht einfach zu bekommen ist, früher war es Alltagsgut. ORF-Bericht weiterlesen: https://burgenland.orf.at/stories/3043820 +++ Offizielle Website des Künstlerdorfs: https://kuenstlerdorf.net +++ Das Künstlerdorf Neumarkt an der Raab (Wikipedia): https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCnstlerdorf_Neumarkt_an_der_Raab +++ Denkmalliste St. Martin an der Raab (Wikipedia): https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_denkmalgesch%C3%BCtzten_Objekte_in_Sankt_Martin_an_der_Raab.