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Verlorenes Erbe (NÖ): Gustav Klimt-Fakultätsbilder und Schloss Immendorf

ORF-SERIE “Verlorenes Erbe”: Das Rätsel von Immendorf”. Schloss Immendorf (Gemeinde Wullersdorf) war ein wichtiger Bergungsort der Nazis für Kunstwerke im 2. Weltkrieg, doch das Schloss ging zu Kriegsende am 8. Mai 1945 in Flammen auf. Inwieweit alle Bilder und Kunstgegenstände dort verbrannt sind, bleibt bis heute eine offene Frage. ORF-FERNSEHBERICHT (7 MIN) ZUM NACHSEHEN: https://tvthek.orf.at/profile/Studio-2/13890037/Studio-2/14072482/Verlorenes-Erbe-Das-Raetsel-von-Immendorf/14801319 (ORF “Studio 2”: “Verlorenes Erbe: Das Rätsel von Immendorf”, 23.11.2020)

Als Anfang Mai 1945 die Rote Armee näher rückte, jagte ein SS-Sprengkommando noch schnell das Schloss Immendorf – mitsamt einem der wertvollsten Kunstdepots im 2. Weltkrieg – in die Luft. Unterlagen und Zeitzeugen, ob tatsächlich etwas davon noch rechtzeitig aus dem Schloss gebracht wurde, gibt es nicht, betont Peter Weinhäupl, Direktor der Klimt-Foundation (Wien 1900 – Privatstiftung). Johannes Freundenthal, Sohn des Schlossbesitzers, war einer der letzten Zeugen, der die Kunstwerke noch mit eigenen Augen im Schloss Immendorf gelagert gesehen hatte. Doch die Kunsthistorikerin Tina Marie Storkovich glaubt Indizien zu haben, dass so manches Kunstwerk rechtzeitig weggeschafft wurde. Besonders im Fokus stehen dabei eine der wichtigsten Hauptwerke von Gustav Klimt, die drei legendärenFakultätsbilder, die den Festsaal der Uni Wien schmücken sollten, den Professoren aber zu wagemutig waren (1899-1907; ehem. jüdische Sammlung August Lederer): “Philosophie”, “Jurisprudenz” und “Medizin” (sowie deren gemalten Kompositionsentwürfen). Das ausgebrannte Schloss blieb noch 10 Jahre stehen, bis es – ohne dass die Aschereste jemals untersucht wurden – fast zur Gänze abgerissen wurde. Aus den verwertbaren Mauerresten baute die Familie Freudenthal im Schlosspark ein kleines Wohnhaus, wobei sich letzte kleine Schlossruinen-Reste auf diesem Privatgrund erhalten haben. Seit 2005 können Schwarzweiß-Kopien der vier Fakultätsbilder (drei von Gustav Klimt und eines von Franz Matsch), an der Decke des Großen Festsaals der Universität Wien angebracht und besichtigt werden.

Schloss Immendorf, Postkarte

Schloss Immendorf auf einer historischen Postkarte

Der Brand von Schloss Immendorf war einer der größten Kunstverluste im 2. Weltkrieg in Österreich. Allein von Gustav Klimt sind neben der drei Fakultätsbilder (ink. Kompositionsentwürfe) folgende Gemälde zum Opfer gefallen: aus dem Musikzimmer von Nikolaus Dumba die beiden Supraportenbilder Musik II und Schubert am Klavier (aus dem Palais Dumba auf der Wiener Ringstraße; Parkring 4), Zug der Toten, Goldener Apfelbaum, Bauerngarten mit Kruzifix, Malcesine am Gardasee, Wally, Freundinnen II, Gartenweg mit Hühnern sowie Leda und Gastein (alle stammten aus der zwangsenteigneten, jüdischen Sammlung August Lederer).

Kommentar Initiative Denkmalschutz: Unsere Erkenntnisse/Annahme dazu: Alle Kunstwerke, die dort gelagert wurden, sind auch ziemlich sicher dort verbrannt. Bei ein paar wenigen Kunstwerken könnte die Chance bestehen haben, dass diese zwar auf den Bergungslisten gelistet waren, doch nie im Schloss Immendorf angekommen sind. (Es gibt ein paar wenige Indizien dazu, u. a. auf Basis von Akten im Bundesdenkmalamt), darunter aber nicht die drei Fakultätsbilder selbst.

Linktipps:

Die drei Fakultätsbilder von Gustav Klimt (Wikipedia): https://de.wikipedia.org/wiki/Fakult%C3%A4tsbilder_(Universit%C3%A4t_Wien)
Das Schloss Immendorf (Wikipedia): https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Immendorf
Schloss Immendorf (Bergungsstelle, Kriegsbedingte Verluste) im “Lexikon der österreichischen Provenienzforschung”: https://www.lexikon-provenienzforschung.org/immendorf-schloss

Tina Marie Storkovich (Karl-Franzens-University of Graz, Institut für Kunstgeschichte, Graduate Student):
– The Burned Klimt Pictures : The Puzzle of Schloss Immendorf
– Das Rätsel um drei verschollene Klimt-Gemälde
siehe: https://kfunigraz.academia.edu/TinaMarieStorkovich

Literatur:

Andreas Lehne, Die Katastrophe von Immendorf, in: Gustav Klimt, Sonderband Belvedere, Wien 2007, Seite 54-63
Edgard Haider, “Unvergessen – Schloss Immendorf”, in der Zeitschrift Denkma[i]l, Nachrichten der Initiative Denkmalschutz Nr. 12, 2012/13, Seite 36: https://www.initiative-denkmalschutz.at/denkmail/Denkmail_Nr_12_web.pdf

Ältere Medienberichte:

19. April 2018, Kurier
Der Tag, an dem die Klimts verbrannten (Georg Leyrer)
https://www.pressreader.com/austria/kurier-history/20180419/281646780730929

20.12.2015, Der Standard
Klimt-Bilder: Nicht verbrannt und doch verschollen. Kunsthistorikerin bezweifelt Zerstörung von Bildern aus der Sammlung Lederer (Olga Kronsteiner): https://www.derstandard.at/story/2000027848501/nicht-verbrannt-und-doch-verschollen

18.12.2015, Die Presse
Verbrannte Klimtbilder: Das Puzzle von Immendorf (Tina Marie Storkovich)
https://www.diepresse.com/4890667/verbrannte-klimtbilder-das-puzzle-von-immendorf

17.12.2015, Die Presse
Das Rätsel um drei verschollene Klimt-Gemälde (Almuth Spiegler)
https://www.diepresse.com/4889859/das-ratsel-um-drei-verschollene-klimt-gemalde