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Mariazell (Stmk): Laufend Abrisse denkmalgeschützter Gebäude in Österreich. Denkmalreform nötig!

APA-OTS-Presseaussendung der Initiative Denkmalschutz, 14. April 2021
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20210414_OTS0034

Initiative Denkmalschutz: Laufend Abrisse denkmalgeschützter Gebäude. Allein zwei in Mariazell seit Nov. 2020. Denkmalreform nötig!

Bundesregierung aufgefordert – wie im Regierungsprogramm beschlossen – Bundesdenkmalamt zu stärken: Mit besserem Denkmalschutzgesetz und Erhaltungspflicht für Eigentümer!

Wien (OTS) – Ende März wurde das “Gasthaus zur steirischen Grenze” im Halltal (Mariazell) für die Öffentlichkeit überraschend dem Erdboden gleichgemacht. Das Problem: Viele Gebäude in Österreich stehen nur “per Verdacht” unter Denkmalschutz (gemäß § 2a Denkmalschutzgesetz). So kann es geschehen, dass das Denkmalamt “plötzlich” (April 2020) zum Schluss kommt, dieses auf jeden Fall erhaltenswerte Kulturgut entspräche doch nicht den hohen gesetzlichen Denkmalschutz-Kriterien. Hier wäre eine Denkmalschutz-Reform dringend nötig, einerseits, um die Öffentlichkeit bei diesen Vorgängen frühzeitig informativ einzubinden, andererseits, damit vor der Zerstörung der Denkmalbeirat verpflichtend angehört werden muss (§ 5), so wie im Falle einer Unterschutzstellung per Bescheid (§ 3 DMSG) zwingend vorgeschrieben!

Gasthof zur steirischen Grenze, Mariazell

Der Gasthof zur steirischen Grenze im Halltal (Halltal Nr. 64), Foto: März 2013, (c) Peter Lauppert, CC BY-SA 3.0 AT, Wikipedia

Ehemaliges Hotel Marienwasserfall im November 2020 abgerissen

Noch schlimmer die Vorgänge beim seit 2002 denkmalgeschützten ‘Hotel Marienwasserfall’ in der Grünau. Dieses Gebäude wurde durch jahrelanges Verfallenlassen so schwer durch Schnee und Wassereinbruch beschädigt, sodass es im Juni 2020 aus dem Denkmalschutz entlassen und im November abgerissen wurde (nur das Wandbild bleibt erhalten).

Hotel Marienwasserfall, Mariazell

Das Hotel Marienwasserfall in Mariazell kurz vor dem Abriss (Adresse: In der Grünau 1), Foto: Oktober 2020, (c) Fred Lindmoser (Mariazellerland Blog; https://www.mariazellerland-blog.at)

Forderung: Erhaltungspflicht und Anreize für Denkmal-Eigentümer

Warum ist das so einfach möglich? Weil für den Eigentümer keine Erhaltungspflicht im Denkmalschutzgesetz vorgesehen ist. Österreich ist eines der letzten Europaratsmitglieder, das die „Konvention von Granada“ (1985) noch immer nicht ratifiziert hat, sodass Eigentümer ihre Denkmäler weitgehend konsequenzlos verfallen lassen dürfen. Diese Erhaltungspflicht ist eine langjährige Forderung unseres Vereins, wobei die Umsetzung mit mehr Anreizen für die Erhaltung, Sanierung und Restaurierung einhergehen muss (z.B. steuerlich).

Abbrüche: Auch ein Versagen der Bundesländer und Gemeinden!

Das “Gasthaus zur steirischen Grenze” war zweifellos ein erhaltenswertes Kulturgut. Für das regional bedeutende Kulturerbe wären aber primär die Gemeinden und Bundesländer selbst zuständig. Auch hier ist mehr Engagement der Politik dringend nötig (vgl. unsere OTS 7.4.2020: “Ortsbildschutz in der Steiermark sanft entschlafen?”).

Zinngießerhaus Abriss, Irdning

Der Abriss des Zinngießerhauses am westlichen Abschlusses des Hauptplatzes in Irdning (Gemeinde Irdning-Donnersbachtal), Foto: 6. April 2021, (c) Gundula Uray

Rückfragen & Kontakt:

Markus Landerer (0699/1024 4216) und DI Dr. Alexander Schmiderer (0664/750 545 42)
Initiative Denkmalschutz – Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter
www.initiative-denkmalschutz.at
1090 Wien

Literatur / Quellen

– Das “Gasthof zur steirischen Grenze, Terz” auf dem Blog “Baudenkmäler in Österreich”: https://baudenkmaeler.wordpress.com/2017/07/30/gasthof-zur-steirischen-grenze-terz-steiermark

– Bescheid des Bundesdenkmalamtes (Teilweise Aufhebung des Denkmalschutzes) vom 12. Juni 2020: In der Grünau 1, ehem. Hotel Marienwasserfall, Verfahren gemäß § 5 Abs. 7 Denkmalschutzgesetz (GZ: 2020-0.344.551)

– 28. Okt. (Nachtrag 7. Nov.) 2020, Hotel Marienwasserfall abgerissen – Ein Stück Geschichte ist zu Ende…, auf: “Mariazellerland Blog“: https://www.mariazellerland-blog.at/hotel-marienwasserfall-abgerissen-ein-stueck-geschichte-ist-zu-ende/allgemein/54108

– Liste der denkmalgeschützten Objekte in Mariazell (Wikipedia): https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_denkmalgesch%C3%BCtzten_Objekte_in_Mariazell

– 13. April 2021, Irdning (Stmk): Petition gescheitert, Zinngießerhaus abgerissen, Bericht auf der Website der Initiative Denkmalschutz: https://www.initiative-denkmalschutz.at/berichte/irdning-stmk-petition-gescheitert-zinngiesserhaus-abgerissen

– 7. April 2020, APA-OTS-Presseaussendung Initiative Denkmalschutz: Ortsbildschutz in der Steiermark sanft entschlafen? Landesregierung ist aufgefordert wieder eine Ortsbildschutzoffensive zu starten! Anlass Irdning (Bezirk Liezen): Ein Biedermeierhaus mitten im Ortszentrum soll abgerissen werden. Initiative Denkmalschutz unterstützt örtliche Bürgerinitiative: https://www.initiative-denkmalschutz.at/presseaussendungen/ortsbildschutz-in-der-steiermark-sanft-entschlafen-landesregierung-ist-aufgefordert-wieder-eine-ortsbildschutzoffensive-zu-starten

Herrenhaus Halltal (Tirol): Nach Lawinenschäden 1999 jetzt vor Revitalisierung

Das Herrenhaus im Halltalauf etwa 1.500 Meter Höhe im Naturpark Karwendel  gelegen – wurde durch einen verheerenden Lawinenabgang im Februar 1999 schwer beschädigt. Die Lawine riss ein großes Loch in die Fassade, welches mit einem “Provisorium” vorübergehend geschützt wurde. Im Zuge der letzen Jahre schritt der Verfall weiter fort und das Industriedenkmal am Haller Salzberg (Gemeinde Absam) droht zur Ruine zu verkommen. Im Zuge einer Architektur-Masterarbeit “Das Herrenhaus im Halltal : funktionale Neuinterpretation eines bedeutsamen historischen Ortes” (Franziska Zahn, Juli 2020) wurde die Öffentlichkeit letztes Jahr wieder auf das Herrenhaus aufmerksam. Im März 2021 wurde der Verein „Initiative rettet das Herrenhaus im Halltal“ gegründet. Der Verein beabsichtigt, das Herrenhaus, das auch als Königsberg-Betriebsgebäude bezeichnet wird, vor dem Verfall zu retten. Das Herrenhaus wurde  um 1780  errichtet, später mehrfach umgebaut und erweitert. 1967 stellte die Salinen Austria AG den Bergwerksbetrieb ein. In Vorbereitung eines Verkaufs durch die Österreichische Republik (Österreichische Salinen) wurde das Herrenhaus 1977 fachlich unter Denkmalschutz gestellt (konkret: die Außenerscheinung des Königsberg-Betriebsgebäudes samt den Tonnen- und Kreuzgewölben im Kellergeschoß; zuvor nur ‘ex lege’ – kraft gesetzlicher Vermutung – unter Denkmalschutz gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz). Das Haus stand nach der Betriebseinstellung 13 Jahre lang leer, bis es 1980 von Ekkehard Öfner privat gekauft und saniert wurde. Das Gebäude wurde der Öffentlichkeit durch einen Museumbetrieb und eine Gaststätte zugänglich gemacht. Am 24. Februar 1999 zerstörte eine Lawine den südwestlichen Teil des Königsberg-Wohnhauses, sodass der Betrieb eingestellt werden musste. Ziel des neu gegründeten Vereins ist es, den fortschreitenden Verfall des Herrenhauses aufzuhalten und eine Sanierung nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten anzuregen. Eine nachhaltige Nutzung im Bewusstsein und Respekt der historischen Erzählung sowie eine öffentliche Aufmerksamkeit soll angestrebt werden. In diesem Sinne erfolgt jetzt im ersten Schritt eine Bau- und Bestandsaufnahme durch Studierende des Tagekollegs der HTBLVA Ortweinschule – Bautechnik in Graz (HTBLVA = Höhere Technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt). Auf dieser Grundlage sollen danach Architektur-Studierende der Uni Innsbruck weiterarbeiten und Nutzungskonzepte erstellen. Bevor man jedoch mit einer Sanierung starten kann, ist die zukünftige Absicherung des Gebäudes (auch vor Lawinen) sicherzustellen und eine Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt nötig. Der neue Verein bittet jetzt um tatkräftige Mithilfe sowie Spenden (Bausteinaktion). Offizielle Website: https://herrenhaus.tirol.

Das Herrenhaus im Halltal 1999, Tirol

Das Herrenhaus im Halltal, Schäden nach dem Lawinenabgang, Foto: 1999, (c) Verein ‘Initiative rettet das Herrenhaus im Halltal’

Anmerkung: Unserem Verein Initiative Denkmalschutz liegt der aktuell gültige (dreiseitige) Unterschutzstellungsbescheid des Bundesdenkmalamtes aus dem Jahr 1977 vor (16.10.1977; Zl.8289/77). Damals wurde nicht nur die Außenerscheinung des Königsberg-Betriebsgebäudes samt den Tonnen- und Kreuzgewölben im Kellergeschoß unter Schutz gestellt, sondern auch das benachbarte Objekt: “die Außenerscheinung des Material- und Zeugbewahrungsgebäudes mit angebauter Kapelle in ihrer Gesamtheit”. Für die weiteren elf Nebengebäude wurde damals kein Denkmalschutz ausgesprochen (vgl. auch die Liste der denkmalgeschützten Objekte in Absam auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_denkmalgesch%C3%BCtzten_Objekte_in_Absam).

Das Herrenhaus im Halltal vor 1999, Tirol

Das Herrenhaus im Halltal vor dem Lawinenunglück, Foto: ca. Mitte 1990er-Jahre, (c) Verein ‘Initiative rettet das Herrenhaus im Halltal’

Linktipps:

Podcast (22 min) Museum Absam – Herrenhaus im Halltal: Vergangenheit und Zukunft (10.12.2020). Franziska Zahn aus Reutlingen bei Stuttgart hat sich für ihre Masterarbeit über ein Jahr lang intensiv mit den baulichen Überresten des Salzbergbaus im Absamer Halltal beschäftigt. Im Zentrum der Recherchen für ihre Masterarbeit stand das Herrenhaus. Mit der Studie „Das Herrenhaus im Halltal – Funktionale Neuinterpretation eines bedeutsamen historischen Ortes“ hat sie unlängst ihr Architekturstudium an der Universität Innsbruck erfolgreich abgeschlossen. Im September haben wir mit Franzsika Zahn ein Interview geführt: Über die Baugeschichte im Halltal und über ihre Vorschläge für eine zukünftige Nutzung des Herrenhauses: https://soundcloud.com/museumabsam/franziska-zahn

– Die Geschichte und Areal des Herrenhauses: https://herrenhaus.tirol/geschichte

– Der Salzbergbau in Hall: https://www.hall-wattens.at/de/salzbergbau-zu-hall.html

Wandertipp zum Herrenhaus (und der Magdalenenkapelle): https://tirolischtoll.wordpress.com/2018/06/29/die-magdalenenkapelle-im-halltal

Wandertipp: ‘Mehr Geschichte geht nicht’: https://www.tt.com/artikel/13489990/mehr-geschichte-geht-nicht

Podcast (37 min) Museum Absam – Im Herrenhaus 1907 – der Journalist Max Winter (1870–1937) besuchte 1907 das Absamer Halltal. In einer Artikelserie für die »Arbeiter-Zeitung« berichtete er im Oktober 1907 darüber, welche Verhältnisse er in den Unterkünften der Salzberger im Herrenhaus vorgefunden hat: https://soundcloud.com/museumabsam/herrenhaus

Herrenhaus im Halltal, Luftbild, Tirol

Das Herrenhaus im Vordergrund (auch Königsberg-Betriebsgebäude genannt). Links dahinter zu sehen das ebenso denkmalgeschützte Material- und Zeugbewahrungsgebäude mit angebauter Kapelle. Die weiteren Nebengebäude stehen nicht unter Denkmalschutz, Foto: 2021, (c) Verein ‘Initiative rettet das Herrenhaus im Halltal’

Medienberichte:

18. Juni 2021, MeinBezirk
Initiative fordert Erhalt des historischen Herrenhauses. Absam. Das Herrenhaus im Halltal, gelegen im Karwendelgebirge auf zirka 1.500 m Seehöhe, ist ein Stück Salz- und Bergbaugeschichte. Außerdem zählt das historische Gebäude zu einem der wichtigsten Industriedenkmäler Tirols – doch nun droht es zur Ruine zu verkommen: https://www.meinbezirk.at/hall-rum/c-lokales/erhalt-des-historischen-herrenhauses_a4711604

14. Juni 2021, Tiroler Tageszeitung
Initiative will historisches Herrenhaus im Halltal retten: Ein neuer Verein möchte den Verfall des bergbaugeschichtlich einmaligen Komplexes stoppen und eine denkmalgerechte Revitalisierung angehen: https://www.tt.com/artikel/30793912/initiative-will-historisches-herrenhaus-im-halltal-retten

18.12.2020, Tiroler Tageszeitung
Herrenhaus im Halltal: Frische Ideen für einen historisch bedeutsamen Ort. Eine junge Architektin hat die Baugeschichte des Herrenhauses im Halltal akribisch aufgearbeitet – und regt eine Aufwertung des Areals an (Bezahlschranke): https://www.tt.com/artikel/17662376/herrenhaus-im-halltal-frische-ideen-fuer-einen-historisch-bedeutsamen-ort