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Palais Rothschild (Wien): Ohne große Schäden 1955 gesprengt

Das Palais Albert Rothschild in der Prinz Eugen-Straße 22-24 im 4. Wiener Bezirk Wieden galt als eines der größten und bedeutendsten Palais des Wiener Historismus und wurde im 2. Weltkrieg kaum beschädigt, trotzdem wurde es für den Neubau der Arbeiterkammer abgerissen (heute steht das Gebäude der Arbeiterkammer selbst unter Denkmalschutz; 1957 bis 1960 von Franz Mörth erbaut (vgl. Denkmalliste Wikipedia). Der im Stil der französischen Neorenaissance gehaltene Palais zeichnete sich durch ein besonders eindrucksvolles Stiegenhaus aus, an den Wänden befanden sich wertvolle Gobelins, im Ballsaal und den Salons gab es Deckengemälde von Jean de Witt und Giovanni Battista Tiepolo, die Einrichtung war im Louis XVI-Stil gehalten. Das etwas stärker beschädigte Palais Nathaniel Rotschild gleich ums Eck in der Theresianumgasse 16-18 wurde ebenso abgerissen. Die beiden Palais wurde in den 1950er-Jahren laut dem Wirtschaftshistoriker Roman Sandgruber “gegen den heftigsten Widerstand des Denkmalamtes” abgerissen. Laut Sandgruber rechtfertigt die Arbeiterkammer den Abriss der beiden Palais in einer kleinen Dauerausstellung “wahrheitswidrig mit der Baufälligkeit der Palais” (vgl. Standard-Artikel (9.2.2020), “Das verdrängte Erbe der Wiener Rothschilds). In der ORF-Serie “Verlorenes Erbe” wird berichtet, dass die Ausstattung des Speisesaals 1954 abgebaut und um 6.000 Schilling versteigert wurde. Sie befindet sich heute in der Tanzschule Strobl  in Wien-Hernals (der Kalvarienberggasse 28a). In der NS-Zeit wurde der Besitzer Louis Nathaniel von Rothschild verhaftet und enteignet, im Palais wurde die Zentralstelle für jüdische Auswanderung eingerichtet. Vom Palais aus wurde die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung vom Leiter Adolf Eichmann organisiert. In der Besatzungszeit benützte die Rote Armee das Palais als Sportstätte, danach wurde es restituiert. Die Familie Rothschild hatte kein Interesse mehr nach Österreich zurückzukehren und verkaufte es an die Arbeiterkammer. Die Sprengung des Palais erfolgte am 15. Jänner 1955. Die Kunsthistorikerin Ursula Arendt, der Historiker Georg Gaugusch sowie die Immobiliensachverständige Margret Funk kommen im ORF-Beitrag zu Wort. ORF-FERNSEHBERICHT ZUM NACHSEHEN (5 MIN): https://tvthek.orf.at/profile/Studio-2/13890037/Studio-2/14073790/Palais-Rothschild-Der-Gipfel-der-Pracht/14807954 (3.12.2020, ORF 2 – Studio 2: “Palais Rothschild: ‘Der Gipfel der Pracht'”)

Palais Rothschild, Gartenseite, Wien

Die Gartenseite des Palais Albert Rothschild, Foto aus dem Buch: Paul Kortz, Wien am Anfang des XX. Jahrhunderts – Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung (2. Band) 1906, gemeinfrei

Älterer iD-Bericht

9.2.2020, Wiener Palais abgerissen, Kunstsammlung verstreut – die Familie Rothschild nach dem 2. Weltkrieg 
https://www.initiative-denkmalschutz.at/berichte/wiener-palais-abgerissen-kunstsammlung-verstreut-die-familie-rothschild-nach-2-weltkrieg

Rothschild-Palais, Wikipedia-Links:
– Das Palais Albert Rothschild: https://de.wikipedia.org/wiki/Palais_Albert_Rothschild
– Das Palais Nathaniel Rotschild: https://de.wikipedia.org/wiki/Palais_Nathaniel_Rothschild

Buchtipps:
Edgard Haider, Verlorenes Wien. Adelspaläste vergangener Tage. Böhlau, Wien-Köln-Graz 1984 (auf Seite 140 bis 152 die beiden Palais samt Ausstattung ausführlich beschrieben und bebildert; Buch vergriffen)
Dieter Klein, Martin Kupf, Robert Schediwy, Stadtbildverluste Wien. Ein Rückblick auf fünf Jahrzehnte. 3. Auflage. LIT Verlag, Münster 2005
Roman Sandgruber, “Rothschild. Glanz und Untergang des Wiener Welthauses”, Molden-Verlag, 2018